Ohne Halt – leben mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Für Menschen mit der
Borderline-Persönlichkeitsstörung ist das Leben wie eine
unkontrollierbare Achterbahnfahrt. Sie leiden unter häufigen, extremen
Stimmungsschwankungen, ihr Verhalten ist impulsiv, vielfach verletzen
sie sich auch selbst.
Wir alle haben hin und wieder einen schlechten Tag, ärgern uns oder
sind traurig. Normalerweise bewältigen wir solchen alltäglichen Frust
schnell wieder, die negativen Gefühle flauen wieder ab. Anders bei
Menschen mit emotional instabiler Persönlichkeitsstörung vom
Borderline-Typ, kurz Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) oder auch
Borderline-Syndrom. Oft reicht ein minimaler Anlass und ihr
emotionales Gleichgewicht kippt. Wut, Angst oder Verzweiflung
übermannen sie dann schlagartig und oft unkontrollierbar.
Gefühle außer
Kontrolle
Was sich so entlädt, ist eine massive innere Anspannung. Diese
entsteht, da Betroffene nicht in der Lage sind, ihre alltäglichen
Erlebnisse direkt emotional einzuordnen und dadurch zu verarbeiten.
Borderline-Patienten wissen häufig gar nicht, wer sie selber wirklich
sind oder wer sie sein möchten. Anders ausgedrückt: Sie leiden unter
einem geringen Selbstwert und ein anhaltendes Gefühl innerer Leere.
Das hindert sie daran, frustrierende Erlebnisse emotional zu
verarbeiten.
Ist der emotionale Stress zu stark, sucht der Organismus der
Betroffenen nach Notlösungen, um die Anspannung abzubauen: Sie handeln
dann oft impulsiv und unüberlegt, nicht selten selbstgefährdend.
Manche geben exzessiv Geld aus, missbrauchen Alkohol/Drogen oder
wechseln häufig ihre Sexualpartner. Auch Selbstverletzungen und
Suizidgedanken sind keine Seltenheit.
Achtung
Nehmen Sie als Angehöriger Suizidäußerungen immer ernst! Weit über die
Hälfte aller Borderline-Patienten verübt mindestens einen
Suizidversuch.
Emotionale Vernachlässigung als häufiger Auslöser
Die Borderline-Störung zeigt sich häufig erstmals im frühen
Erwachsenenalter. Bis zu drei Prozent der Erwachsenen sind von ihr
betroffen. So komplex wie ihre Symptome sind auch ihre Ursachen, doch
fast immer zeigen sich in den Biografien Spuren traumatischer
Erlebnisse: 40 bis 70 Prozent berichten von fehlender emotionaler
Zuwendung in der Kindheit und mangelnder Anerkennung durch wichtige
Bezugspersonen. Auch Misshandlung und sexueller Missbrauch zählen zu
den häufig genannten Gründen.
Borderline-Patienten fällt es oft schwer, stabile zwischenmenschliche
Beziehungen einzugehen. Sie suchen die fehlende eigene Wertschätzung
in intensivem Kontakt zum Gegenüber, idealisieren es. Gleichzeitig
haben sie große Angst allein zu sein oder verlassen zu werden. Die
damit einhergehenden hohen Ansprüche kann auf Dauer kein Partner
erfüllen: Irgendwann fühlt sich jeder Borderline-Patient zutiefst
enttäuscht, wertet den zuvor idealisierten Partner rigoros ab und
trennt sich von ihm.
Experten diskutieren außerdem erbliche Faktoren und Störungen im
Gehirn als Ursache für die Erkrankung. Fehlfunktionen in bestimmten
Hirnregionen, die für Gefühlskontrolle, Angst und Aggressionen
zuständig sind, sind vermutlich mitverantwortlich für die emotionale
Instabilität der Borderline-Patienten.
Die Diagnose
Nicht jeder Borderline-Patient leidet unter allen Symptomen und
Verhaltensmustern gleichzeitig. Außerdem können sie unterschiedlich
stark ausgeprägt sein. Die Diagnose ist daher nicht einfach. Um sie zu
sichern, steht Fachärzten ein international standardisierter
Diagnoseschlüssel zur Verfügung. In ausführlichen strukturierten
Gesprächen und gegebenenfalls psychologischen Tests werden andere
(psychische) Erkrankungen ausgeschlossen oder als Begleiterkrankung
identifiziert: Viele Borderline-Patienten leiden zusätzlich an
Depressionen, Essstörungen oder Suchterkrankungen.
Wegen des selbstgefährdenden Verhaltens gilt die
Borderline-Persönlichkeitsstörung als ernstzunehmende, schwerwiegende
Erkrankung. Ihre Behandlung gehört in die erfahrenen Hände eines
Psychotherapeuten oder Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie.
Die gute Nachricht: Es gibt bewährte Therapiekonzepte.
Gute Erfolge durch Psychotherapie
Als besonders wirksam haben sich verhaltenstherapeutische Methoden
erwiesen, die den Betroffenen Strategien an die Hand geben, ihre
extremen Empfindungen und ihr Verhalten besser zu steuern. Diese
sogenannten Skills zur Stressbewältigung, wie sie etwa die
Dialektische Behaviorale Therapie (DBT) vermittelt, können helfen, auf
gesunde Weise mit der inneren Anspannung umzugehen, negative Emotionen
früher zu erkennen, zu kontrollieren und abzubauen.
Auch andere Therapieformen haben gute Erfolge gezeigt: Die sogenannte
Schemafokussierte Therapie (SFT) zielt darauf, unbewusste
festgefahrene Verhaltensmuster zu identifizieren und abzulegen. Die
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) trainiert, eigene Wünsche und
Gedanken sowie die anderer Menschen besser zu verstehen. Lässt sich
die Ursache der Erkrankung auf ein Trauma zurückführen, kann auch eine
spezifische Traumatherapie helfen. Unterstützend können bei allen
Therapieformen Medikamente eingesetzt werden, insbesondere, wenn
zusätzlich Angststörungen oder Depressionen vorliegen.
Was können Angehörige tun?
Das Leben mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist oft eine große
Herausforderung - für die Betroffenen selbst, aber ebenso für Partner,
Familie und Freunde. Die starken Stimmungsschwankungen sorgen häufig
für Unverständnis und belasten die zwischenmenschlichen Beziehungen
sehr.
Informiert sein hilft
Deshalb ist es wichtig, sich als Angehöriger und Partner zuallererst
gut über die Erkrankung zu informieren und so Verhaltensmuster des
Betroffenen besser einordnen zu können. Dabei gilt es vor allem zu
lernen, das schwierige Verhalten der Erkrankten nicht persönlich zu
nehmen: Die Ursache dafür ist die Erkrankung, nicht der Mensch.
Am besten unterstützen Angehörige den Betroffenen, indem sie ihm
zeigen, dass sie für ihn da sind, ihn unterstützen, sich
professionelle Hilfe zu holen und ihn in der Therapie verständnisvoll
begleiten. Das erfordert viel Kraft. Behalten Sie daher Ihr eigenes
seelisches Wohl im Blick. Auch der Austausch mit anderen Angehörigen
oder ein sogenanntes Angehörigen-Seminar können helfen.
Nützliche Adressen und Links
Im Folgenden finden Sie hilfreiche Links zu weiterführenden
Informationen für Betroffene und Angehörige:
Bundesarbeitskreis der Angehörigen psychisch Kranker (BApK)
Umfangreiche Informationen sowie Telefon- und E-Mail-Beratung für
Betroffene und Angehörige
www.bapk.de